Wann ist eine Siegelführung verpflichtend?

Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer sind verpflichtet, ein Siegel zu benutzen, wenn sie Erklärungen abgeben, die ihnen gesetzlich vorbehalten sind (§ 48 Absatz 1 Satz 1 WPO). Hierunter sind sowohl formelle als auch materielle Gesetze (z.B. Verordnungen) zu verstehen. Die wichtigste gesetzliche Vorbehaltsaufgabe ist die Durchführung von Jahresabschlussprüfungen nach § 316 ff. HGB. Der nach § 322 HGB zu erteilende Bestätigungsvermerk – ausgefertigt im Testatsexemplar – ist hierbei zu siegeln. Die Unterzeichnung des Prüfungsberichtes erfolgt stets am Ende der Berichterstattung und vor den Anlagen zum Prüfungsbericht, somit regelmäßig im Anschluss an die Wiedergabe des Bestätigungsvermerks, da dieser nach § 321 HGB ebenfalls gesetzlich vorgeschrieben ist (IDW PS 450 n.F. Tz. 114). Ebenfalls zu siegeln ist die Bestätigung des Wirtschaftsprüfers über die Angemessenheit einer Abfindung in einer aktienrechtlichen Strukturmaßnahme (z.B. § 327c Abs.2 S.2 AktG). Sonstige Grundlagen für die Abgabe der Erklärung unterhalb dieser Ebene, z.B. behördliche Anweisungen, Regelungen in Satzungen, Gesellschaftsverträgen oder sonstigen Verträgen stellen keine gesetzlichen Vorschriften dar.

Wann ist eine Siegelführung freiwillig?

Für bestimmte Erklärungen sieht § 48 Abs. 1 S. 2 WPO zwar keine Pflicht, aber die Befugnis zur Siegelführung vor. Voraussetzung hierfür ist, dass im Rahmen der beruflichen Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer, somit nicht im privaten Bereich oder im Rahmen eines ggf. ausgeübten Zweitberufs, Erklärungen über Prüfungsergebnisse abgegeben oder Gutachten erstattet werden. Zulässig ist die Siegelführung bei freiwilligen Abschlussprüfungen von Unternehmen, die keiner gesetzlichen Abschlussprüfungspflicht unterliegen, z.B. bei kleinen Kapitalgesellschaften. In diesem Bereich gibt es keine gesetzlichen Regelungen, die eine Prüfung durch einen WP/vBP vorschreiben oder zumindest die Tätigkeit (Prüfung und Erteilung eines Bestätigungsvermerks hierüber) dem WP/vBP vorbehalten. Nichts anderes gilt auch dann, wenn die Prüfung in Anlehnung an die Vorschriften des HGB vorgenommen und das Prüfungsergebnis in einem „Bestätigungsvermerk“ zusammengefasst wird, der dem gesetzlichen Bestätigungsvermerk in § 322 HGB nachgebildet ist. Weder die Verwendung des Begriffs „Bestätigungsvermerk“ noch die Abgabe einer entsprechenden Erklärung – auch nicht in dieser Formulierung – ist dem WP/vBP gesetzlich vorbehalten.

Wo wird das Siegel platziert und wie ist es zu gestalten?

Der Abschlussprüfer hat den schriftlichen Bestätigungsvermerk (§ 322 Abs. 1 S. 1 HGB) unter Angabe von Ort und Tag zu unterzeichnen (§ 322 Abs. 7 S. 1 HGB) und zu siegeln (§ 48 Abs. 1 S. 1 WPO). Dabei haben Wirtschaftsprüfer die Berufsbezeichnung „Wirtschaftsprüfer/Wirtschaftsprüferin“ ohne Hinzufügung anderer Berufsbezeichnungen zu verwenden (§ 18 WPO). Die Angabe von Ort und Tag erfolgt üblicherweise unter dem Text des Bestätigungsvermerks, aber über den Unterschriften und dem Siegel. Gleiches gilt für den Prüfungsbericht.

Die Wirtschaftsprüferkammer trifft im Rahmen der Berufssatzung für Wirtschaftsprüfer/vereidigte Buchprüfer die näheren Bestimmungen über die Gestaltung (Größe und Form) des Siegels sowie der in das Siegel aufzunehmenden Angaben (§ 20 BS WP/vBP).

Können auch elektronische Siegel verwendet werden?

Eine elektronische Siegelführung ist gem. § 20 Abs. 2 S. 2 BS WP/vBP zulässig. Dies ermöglicht es, den Prüfungsbericht und den Bestätigungsvermerk rechtskonform auch ausschließlich als elektronische Originale anzufertigen. Der Abschlussprüfer hat die Prüfungsberichte und die Bestätigungsvermerk-Datei mit dem elektronischen Siegel, seinem Namen sowie einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen (§ 321, Tz. 242 Beck´scher Bilanz-Kommentar, 12. Auflage).

Welche Konsequenzen ergeben sich aus einem fehlenden WP-Siegel?

Zwar sind Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften verpflichtet, ein Siegel zu benutzen, wenn sie Erklärungen abgeben, die den Berufsangehörigen gesetzlich vorbehalten sind. Jedoch ist das Siegel weder Voraussetzung für die handelsrechtliche Wirksamkeit eines Bestätigungsvermerks noch hat es haftungsrechtliche Auswirkungen (WPO Kommentar, 3. Auflage, S. 678). Mit der Fokussierung von zahlreichen Berufspflichten auf gesetzlich vorgeschriebene Abschlussprüfungen durch das APAReG und der Neufassung der Berufssatzung WP/vBP im Jahr 2016 hat die Siegelführung im Hinblick auf weitergehende berufsrechtliche Folgewirkungen an Bedeutung verloren. Verblieben ist die Pflicht für den Wirtschaftsprüfer, sich der besonderen Berufspflichten bewusst zu sein, die ihm aus der Befugnis erwächst, gesetzlich vorgeschriebene Bestätigungsvermerke zu erteilen und ein Siegel zu führen.